Reisenotizen

In der tunesischen Wüste...

Ich erinnere mich an das erste Biwak.

Jeder hatte sich sein Bett im Sand gerichtet. Der Tag ging zu Ende, eine unvergleichliche Milde war zu spüren. Außer uns keine Menschenseele weit und breit und die Dämmerung - wie wenn sie in der Luft steht. Herrliche ruhige Einsamkeit um die Dünen ... Und dann die so gute Suppe von Abdallah am Feuer.

Die Dromedare, die sich entfernen zum Weiden und die am nächsten Tag von Monzef und Marzoug eingesammelt werden.

Und die stärkste Erinnerung, schon gleich am ersten Abend : die Zärtlichkeit, die Vertrautheit der Beduinen untereinander, wie Kinder zusammengerückt um das Feuer. Ihr Lachen. Ihre Lieder. Der Kopf des Jüngsten im Schoß des Ältesten, Bab Salim, des Schützers in der unendlichen Weite der Wüste.

Der Himmel. Die Geschichten und die Lieder, die zu dem Sternenschwarm aufsteigen.

"Night in Tunisia" ist ein Titel von Dizzy Gillespie.

Jetzt verstehe ich ....

"Ein Abend übersät von leuchtenden Gestirnen" sagt Saint John Perse.

Und so war es bis zur veilchenblauen Dämmerung.

Ein Geschenk der Nacht. 

Luc Schillinger

Bevor ich zum 1. Mal in der Sahara gewandert bin, sagten mir viele Leute, die diese Erfahrung gemacht hatten, dass die Wüste wie eine Droge sei. Wenn man ein Mal dort war, hat man immer wieder das Bedürfnis zurückzukehren. 

Da ich vorher öfter gewandert bin, die Natur und das Wandern besonders mag, habe ich tatsächlich ganz neue und einmalige Erlebnisse in der Wüste empfunden. 

Menschlich gesehen ist die Begegnung mit den Nomaden aus der Wüste sehr stark, austausch- und entdeckungsreich. Ihren Alltag für eine kurze Zeit mit ihnen zu teilen, ist sehr fremdartig. Ihre Kunst des Überlebens, des Feuermachens, mit den Dromedaren umzugehen, ihre eigene Kunst des Brotbackens, ihre Fähigkeit sich zu orientieren in diesen gewaltigen Gebieten, wo Perspektiven und Distanzen verfälscht sind, sind eindrucksvoll. 

Ich habe die Freude an das Gruppenleben wieder entdeckt und hatte endlich Zeit während der Laufstunden, der Pausen oder der langen Abenden am Feuer, mit Leuten, die mir nahe stehen, die ich aber im Laufe des Jahres zu selten sehen kann, zu diskutieren. Wobei die Abende am Feuer auch für überlieferte Geschichten, Märchen und Musik geeignet sind. Oder ich befand mich in einer eher meditativen Stimmung und bevorzugte alleine, getrennt von der restlichen Gruppe zu gehen, um für eine gewisse Zeit mit mir selbst zu sein. 

Ich schätze ganz besonders den Moment am Ende des Tages, wenn wir zum Übernachten halten und während die Nomaden sich um ihre Tiere kümmern und das Abendessen vorbereiten, erforsche ich die Gegend, auf der Suche nach einem blickgeschützten Platz für die Nacht hinter einer Düne. Ich liebe diesen köstlichen Moment der Einsamkeit und der Entspannung im Licht des Sonnenuntergangs. Ausschließlich in der Wüste habe ich diese vollkommene Mischung von Intimität und Gruppenleben gefunden. 

Die herrlichen und grandiosen Landschaften, die wir durchqueren, die Freude an der täglichen körperlichen Anstrengung, die Sonne und das absolute Glück den Horizont zu erforschen ohne jegliche Zeichen von Zivilisation zu sehen, ergeben eine einzigartige Alchimie. Jedes Mal bin ich von diesen Reisen ein bisschen verändert zurückgekehrt. Vielleicht komme ich jetzt den wesentlichen Erkenntnissen etwas näher, die ich anscheinend in meinem aktiven abendländischen Leben nicht wahrnehme. 

Benjamin Moussay

Welches Erlebnis am eindrucksvollsten war? Schwer zu beschreiben, es gab so viele! 

Die Dünenlandschaften, der Wind im Sand, der ruhige Rhythmus der Tage, Sonnenuntergänge, Stille..... Der tiefste Moment für mich war Nachts, unterm Sternenhimmel! Die ersten Nächte ist es schon sehr ungewohnt, am Boden zu schlafen, kein Dach über den Kopf zu haben, alles offen. Schon bald gehört es zum normalen Ablauf, und wird sogar zum Genuss! 

Dieses glitzernde Firmament über mich mit seinen unermesslichen Geheimnissen, und ich, dort drunter eingebettet in warmen Decken, ließ mich im Wiegenlied der Sternen, sanft in den Schlaf sinken ! 

Die Unendlichkeit des Universums spürte man, wenn man nachts aufwachte, die Augen aufschlug und die Sternen sah......Es ist sehr schwer Worte zu finden, um diese Empfindung zu beschreiben: man fühlte sich als ein Teil der Schöpfung! 

Eins mit dem Universum! 

Béatrice Flament

Meine Lieblingszeit aus diesen Tagen in der Wüste ist der Spätnachmittag, kurz vor Sonnenuntergang, wenn die Lichtstärke nicht mehr die blendende Intensität der Mittagsonne besitzt. Die zarten Schatten werfen dann ein magisches Helldunkel auf die Dünen. 

Ich erinnere mich an einen besonderen Abend. Wir kommen an unserem Nachtlager an. Vom Gehen erschöpft lasse ich mich auf eine Düne nieder mit Blick auf die Sonne. Im Vordergrund ist das von ihr geworfenes Licht sehr diffus, dagegen am Horizont brennt der Himmel von einem leuchtenden Rot, das kein Blick ertragen kann. 

Diese kurzen Minuten, während derer die Sonne uns ihren letzten Atemzug des Tages schenkt, wirken wie unendlich. Sie scheint zu zögern unter zu gehen und wir, wir möchten sie festhalten, aus Angst sie würde über Nacht ihren Auftrag in Frage stellen und uns in einer unendlichen Dunkelheit lassen. Aber wir wissen, dass sie am nächsten Tag - treue Seele in dieser ungebändigten Gegend - ihr Licht und ihre Wärme wieder großzügig verbreiten wird. Sie wird das Leben in dieser Sandwüste, die von jeglichem Wesen verlassen zu sein scheint, die aber von einem unerwarteten tierischen und pflanzlichen Leben bereichert ist, rhythmisch gestalten.  

Marie-Paule Martz

Ein Tag in der Wüste

Am Horizont leuchtet das Licht des Morgenrots am Himmel. Das Feuer knistert, der Duft des Kaffees kitzelt meine Nase. Alle sind wach. Die Decke über meinem Schlafsack ist weiß vom Raureif. Morgen Abend werden wir im Zelt schlafen, das ist klar! Wir eilen zum Frühstück. Um das Feuer sitzen schon die Beduinen, die das Frühstück für uns vorbereitet haben: frisches, in der Glut gebackenes Brot, Butter, Feigenmarmelade, Schmelzkäse, Kekse, Kaffee, Tee, Milch. Dieses noch warme knusprige Brot, was für ein Genuss ! 

Unsere Kameltreiber holen die Dromedare, beladen sie und los geht’s. Wir folgen ihnen, einer hinter dem Anderen. Wir haben ein gutes Tempo. Unter unseren Füßen ist der Sand teilweise hart. Es gibt mehrere Pausen von etwa einer halben Stunde, zum Trinken und um Mandeln und trockene Früchte zu verzehren. Dann laufen wir weiter bis zum Mittagessen. 

Salim macht das Brot: Aus Mehl, Salz und Wasser bereitet er eine Mischung, die er zu einem Teig verarbeitet und formt daraus eine Kugel. Auf einem mit Mehl bestäubten Tuch drückt er den Teig zu einem Fladen. Er breitet die Glut aus, in die er den Fladen hineinlegt und deckt ihn dann mit glühenden Holz zu. Nach etwa einer viertel Stunde wird das Brot aus dem Feuer gezogen und die restliche Glut entfernt. 

Ich schaue hoch und sehe die Dromedare in der Weite unter einem intensiv blauen Himmel weiden. Was für ein grandioser und friedlicher Platz! Man wünscht sich, dass die Zeit stehen bleibt! 

Heute ist wenig Wind. Wir sitzen alle um einen köstlichen gemischten Salat aus Tomaten, Oliven, Thunfisch, Zwiebeln und Kraut. Das Ganze mit geschälter, fein geschnittener Zitrone und Olivenöl gewürzt. Welche Köstlichkeiten so weit entfernt von der Zivilisation. 

Nach dem Essen ist ein Mittagsschlaf vorgesehen. Pierrot und Roseline schlafen auf ihren Matten friedlich ein. Marie-Paule unterhält sich mit den Beduinen. Melanie meint, dass Rachmaninov am besten für diese Stimmung geeignet ist und setzt ihren Walkman auf. Ich begebe mich zu meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Schreiben. 

Nach etwa drei Stunden zieht die Karawane weiter. Wir überqueren sehr hohe Sanddünen. Unnötig zu erwähnen: Eine anstrengende Gymnastik. Aber was für eine großartige Landschaft! Roseline und Melanie entscheiden sich, die restliche Strecke auf den Dromedaren zu reiten. Wir gehen zu Fuß weiter bis zum Ort el Klika, wo wir unser Nachtlager aufschlagen. Unser Führer Adel erklärt uns, dass der Lagerplatz danach ausgewählt wird, ob es dort für die Dromedare Fressen gibt. 

Uff ! Wir sind heute viel gelaufen, ungefähr fünf ½ Stunden und wir spüren es. Roseline und Melanie sagen, dass es erholsamer sei, auf den Dromedaren zu reiten. 

Heute Nacht werden wir sehr bequem im Nomadenzelt schlafen. Melanie und Marie-Paule bevorzugen dennoch den freien Himmel. 

Adel legt die Decken um das Feuer, damit wir darauf Platz nehmen können. Später werden wir am wärmenden Feuer sitzen, essen, uns Geschichten erzählen und singen. An unserem Lagerplatz brennen drei Feuer: eines für das Brot, ein zweites für den Tee und das dritte dient als Kochstelle. Den ganzen Abend wird frischer Tee zubereitet. Mohammed ist dafür zuständig. In die winzig kleine Teekanne füllt er vier Hände voll Tee und genauso viel Zucker. Nach einer Weile karamellisiert der Zucker zischend am Schnabel der Teekanne durch die Hitze der Glut. Jeden Abend nach dem Essen bietet er uns seinen köstlichen, doch für unsere europäischen Gaumen viel zu süßen Tee an. 

Während des Essens hat es zu tröpfeln begonnen. Unsere Nomaden sind darüber hoch erfreut, während wir ihre Freude nicht teilen können. Sie holen ihre Instrumente heraus: Flöte, Bendir (ein kleines Tambourin) und fangen an zu spielen. Adel und Salim singen ein Duett im Wechselgesang. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Wir lehnen uns an die großen Packkörbe unserer Dromedare und lassen uns, den Blick in den Sternen übersäten Himmel gerichtet, vom Gesang hinweggetragen.   

Marie-Odile Gully